UNESCO
stellt neuen Kulturwirtschaftsbericht vor
Kreativindustrie
hat großes Potenzial für Wirtschaft und Entwicklung
Von
Kurt Schlünkes
Der Welthandel von kreativen Gütern und Dienstleistungen
erreichte im Jahr 2011 den Rekordwert von 624 Milliarden
US-Dollar und hat sich damit seit 2002 mehr als verdoppelt.
Gleichzeitig hat die Kultur- und Kreativwirtschaft signifikante
Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung. Das geht
aus dem neuen "Creative Economy Report" der Vereinten
Nationen hervor, den die UNESCO am 14. November 2013
in Paris offiziell vorgestellt hat.
Der
dritte Creative Economy Report steht unter dem Titel
"Erweiterung lokaler Entwicklungspfade". Federführend
für den Bericht sind die UNESCO und das Entwicklungsprogramm
der Vereinten Nationen (UNDP). An der Erstellung des
Berichts haben die Weltorganisation für geistige Zusammenarbeit
(WIPO), die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel
und Entwicklung (UNCTAD) und zahlreiche internationale
Experten mitgewirkt.
Der
neue UN-Kulturwirtschaftsbericht stellt das Potenzial
der Kreativwirtschaft für Entwicklungs- und Schwellenländer
in den Fokus. Der Bericht untersucht, welche Rolle kulturelle
Vielfalt und Kreativität für eine inklusive und nachhaltige
Entwicklung spielen, analysiert aktuelle politische
und wirtschaftliche Trends und stellt praktische Beispiele
aus unterschiedlichen Ländern vor.
Kreativwirtschaft
als Wachstumsmotor
Die
Kreativwirtschaft – die Vermarktung audiovisueller Produkte,
Design, Neue Medien, darstellende Künste, Verlagswesen,
Kunsthandwerk und visuelle Kunst – ist eine der wachstumsstärksten
Branchen der Weltwirtschaft. Kultur- und Kreativwirtschaft
bereiten den Boden für die Schaffung von Arbeitsplätzen,
die Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten und Exporteinnahmen.
Laut dem UN-Bericht verzeichneten die Entwicklungsländer
zwischen 2002 und 2011 ein Wachstum von kreativwirtschaftlichen
Exporten um jährlich 12,1 Prozent.
"Das
Wachstum der Kreativwirtschaft dient der Verbesserung
der Lebensqualität und dem Wohl lokaler Gemeinschaften
in den Entwicklungsländern", sagte UNESCO-Generaldirektorin
Irina Bokova bei der Präsentation des UN-Berichts in
Paris. Die Kreativbranche spiele eine zentrale Rolle
in der Post-2015-Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen,
denn sie sei der Motor für nachhaltige Entwicklung.
Der
Bericht stellt die erste internationale Studie dar,
die umfassend die sozioökonomische Bedeutung der Kulturbranche
in Entwicklungsländern analysiert. Er liefert Erkenntnisse,
wie die Kulturwirtschaft Innovation und Kreativität
fördern kann und welche neuen Wege hierzu in Städten
und Regionen in Entwicklungsländern bereits erfolgreich
beschritten worden sind. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis,
dass es auf der lokalen Ebene in Entwicklungsländern
trotz begrenzter Infrastrukturen und institutioneller
Kapazitäten dennoch viele Erfolg versprechende Ansätze
gibt, um die Potenziale von Kultur- und Kreativwirtschaft
für die Entwicklung zu nutzen. "Die Kulturwirtschaft
eröffnet den Menschen neue Zukunftschancen und kann
nachhaltiges Wirtschaftswachstum vorantreiben", sagte
Helen Clark, Leiterin des UNDP.
Fallstudien
zeigen Erfolgsfaktoren auf
Der
Bericht stützt sich auf Fallbeispiele, die zeigen, wie
vielfältig und innovativ die Kreativwirtschaft ist.
Die Kulturwirtschaft in Argentinien zum Beispiel beschäftigt
rund 300.000 Menschen und erwirtschaftet 3,5 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts. In Marokko beschäftigt das
Verlags- und Druckgewerbe 1,8 Prozent der Erwerbstätigen
und erzielt einen Umsatz von mehr als 370 Millionen
US-Dollar. Der Musikmarkt erwirtschaftete im Jahr 2009
mehr als 54 Millionen US-Dollar und ist seitdem stetig
gewachsen.
In
Bangkok, Thailand, gibt es allein in der Modebranche
über 20.000 Unternehmen, die jungen Designern in der
gesamten Region Arbeit geben. In der Stadt Pikine im
Senegal hat der Verein Africulturban eine "Hip Hop Akademie"
gegründet. Jugendliche erhalten in der Akademie eine
Ausbildung in Grafik und Design, in der Musik- und Videoproduktion
oder im Werbemanagement und Marketing. Dieses innovative
Programm vermittelt jungen Kreativen die künstlerischen
und technischen Fähigkeiten, um auf dem lokalen und
globalen Markt, der ständig in Entwicklung ist, zu bestehen.
Der
Bericht bietet eine Reihe weiterer Fallstudien, die
über aktuelle Entwicklungen und Erfolgsmodelle in der
Kreativwirtschaft informieren. Dargestellt werden unter
anderem die Entwicklung der nigerianischen Filmindustrie
(Nollywood), die Heimtextilien-Industrie in Nantong,
China, und die Initiative "Creative City" in Chiang
Mai. Die Stadt im Norden Thailands nutzt ihr kreatives
Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung. Das vielfältige
Kulturangebot macht die Stadt zu einem attraktiven Lebensort
und zu einem bedeutenden Standort der Kreativindustrie,
der Unternehmen und Investoren anzieht.
Kultur
für Entwicklung
Der
Bericht zeigt einige der wichtigsten Faktoren für den
Aufbau nachhaltiger Kreativindustrien auf und gibt eine
Reihe von Empfehlungen. Unter anderem empfiehlt der
Bericht, Kultur als Antriebsfeder für wirtschaftliche,
soziale und ökologische Entwicklungsprozesse noch stärker
in die internationale Entwicklungszusammenarbeit zu
integrieren und Investitionen in die Kreativwirtschaft
zu fördern. Wesentlich sei es auch, erfolgreiche Entwicklungspfade
der Kreativwirtschaft auf lokaler Ebene aufzuzeigen,
die als Modelle dienen können. Durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch
könnten gerade die Entwicklungsländer viel voneinander
lernen. Vor allem sollte sich Kreativwirtschaft nicht
allein am wirtschaftlichen Nutzen orientieren, sondern
ebenso an nicht-monetären Werten: Die Kultur- und Kreativwirtschaft
hat wesentliche Bedeutung für eine soziale, integrative
und nachhaltige Entwicklung, bei der das Wohl der Menschen
im Mittelpunkt steht – so das Fazit des Berichts.
Ergänzt
wird der Bericht durch eine Web-Dokumentation, die Videos,
Fotos und Interviews enthält. Die Dokumentation erweckt
die Geschichten der Menschen, die in der Kreativwirtschaft
arbeiten, zum Leben und schildert aus ihrer Perspektive,
was "Kultur für Entwicklung" bedeutet.
Seit
2008 veröffentlichen die UNESCO, UNCTAD und UNDP den
Creative Economy Report. Der Report 2008 war der erste
UN-Bericht, der die entwicklungspolitische Dimension
der Kultur- und Kreativwirtschaft weltweit untersuchte.
Ausgangspunkt des Berichtes ist der "Grundsatz der Komplementarität
der wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte der Entwicklung",
der in dem UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und
die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen
von 2005 formuliert ist.
In
dem Übereinkommen heißt es: "Da die Kultur eine der
Hauptantriebskräfte der Entwicklung ist, sind die kulturellen
Aspekte der Entwicklung ebenso wichtig wie ihre wirtschaftlichen
Aspekte". Das UNESCO-Übereinkommen betont die Bedeutung
des Zusammenhangs zwischen Kultur und Entwicklung –
insbesondere auch für die Entwicklungsländer – und soll
"Maßnahmen unterstützen, die auf nationaler und internationaler
Ebene ergriffen werden, um die Anerkennung des wahren
Wertes dieses Zusammenhangs sicherzustellen".
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