Gedenken
an den Kampf gegen die Sklaverei
Internationales
Jahr der Vereinten Nationen 2004 – Aktivitäten der UNESCO
Von
Kurt Schlünkes
Die Vereinten Nationen haben 2004 zum "Internationalen
Jahr des Gedenkens an den Kampf gegen die Sklaverei und an
ihre Abschaffung" ausgerufen. 2004 markiert die Zweihundertjahrfeier
des ersten unabhängigen schwarzen Staates, Haiti, als ein
Symbol des Widerstandes der Sklaven und ihres Kampfes für
Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte. Ziel des internationalen
Jahres ist es, die Tragödie der Sklaverei in Erinnerung zu
rufen und heute noch existierende Formen der Sklaverei zu
bekämpfen. Die UNESCO hat die Federführung für das Gedenkjahr
übernommen.
Am
10. Januar 2004 hat UNESCO-Generaldirektor Koïchiro Matsuura
in Cape Coast das UNO-Gedenkjahr offiziell eröffnet. Cape
Coast in Ghana war ehemals ein Hauptzentrum des Sklavenhandels.
Die UNESCO hat die Festung Cape Coast als Erinnerungsstätte
für die Opfer des Sklavenhandels in die Liste des Welterbes
aufgenommen.
Bei
der Eröffnung des Gedenkjahres sagte Matsuura, dass die Geschichte
des Sklavenhandels und seine Auswirkungen viele Jahre lang
nicht genügend beachtet worden seien. Das VN-Jahr rücke die
Tragödie der Sklaverei wieder ins Bewusstsein: "Dieses dunkle
Kapitel in der Geschichte der Menschheit sollte seinen vollen
Platz in den Schulbüchern und in den Lehrplänen jedes Landes
der Welt finden". Die Praktiken und Strukturen des Sklavenhandels
waren der Nährboden für rassistische Ideologien, Rassendiskriminierung
und Fremdenfeindlichkeit. Matsuura rief die internationale
Gemeinschaft dazu auf, allen zeitgenössischen Formen von Sklaverei
ein Ende zu setzen.
Wissensaustausch
und Dialog zwischen den Kulturen
Die
UNESCO hat die Mitgliedstaaten, Nationalkommissionen, Regierungs-
und Nichtregierungsorganisationen zur Mitwirkung am VN-Jahr
2004 aufgerufen. Das Gedenkjahr soll uns bewusst machen, dass
Menschenhandel und sklavereiähnliche Praktiken in all ihren
heimtückischen Formen heute noch existieren. UNESCO-Clubs,
UNESCO-Projektschulen und die internationale wissenschaftliche
Gemeinschaft tragen zum Gedenkjahr bei. Nobelpreisträger,
UNESCO-Botschafter und "Künstler für den Frieden" unterstützen
die Aktivitäten. Weltweite Kampagnen sollen Zeichen setzen
gegen zeitgenössische Praktiken der Sklaverei und Rassismus.
Am 21. März, dem Welttag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung,
hat die UNESCO in Paris eine Jugendkampagne unter dem Motto
"Jugend vereint gegen Rassismus" gestartet.
Die
Aktivitäten der UNESCO zum VN-Jahr konzentrieren sich auf
drei Bereiche: Seminare und Studien widmen sich der wissenschaftlichen
Diskussion und Dokumentation der Geschichte des Sklavenhandels
und seiner Auswirkungen. Gedenkfeiern erinnern an den Befreiungskampf
und an die Opfer der Sklaverei. Ausstellungen und Konferenzen
zum Projekt "Sklavenroute", zum internationalen Schulprojekt
"Das Schweigen brechen" oder zum Welterbeprojekt "Reisewege
der Erinnerung" thematisieren den kulturellen Austausch und
reflektieren die Hintergründe und Folgen des Sklavenhandels.
Eine
zentrale Rolle spielt das UNESCO-Projekt "Die Route der
Sklaven". Es zeigt die aus dem Sklavenhandel hervorgegangenen
Beziehungen zwischen den Völkern Europas, Afrikas, Amerikas
und der Karibik auf. Es analysiert unter anderem das widersprüchliche
historische Phänomen, dass der ursprünglich barbarische Akt
des Sklavenhandels sich in einen Akt umgewandelt hat, der
eine neue Zivilisation begründete. Die Millionen von afrikanischen
Sklaven, die in die "neue Welt" deportiert und verkauft wurden,
brachten ihre geistigen und kulturellen Werte und auch ihr
traditionelles Wissen mit.
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Die
Sklavenroute
Die
UNESCO hat das interkulturelle Projekt "Sklavenroute"
1994 ins Leben gerufen. Es verfolgt zwei Ziele:
Einerseits illustriert es den Hintergrund und
die Formen des transatlantischen Sklavenhandels
und der Sklaverei im Indischen Ozean und im mediterranen
Raum. Andererseits analysiert es die Folgen des
Sklavenhandels und die daraus erwachsenen kulturellen
Wechselbeziehungen zwischen Europa, Afrika und
der Karibik.
Der
Sklavenhandel machte vom 16. bis 19. Jahrhundert
mehrere zehn Millionen Menschen zu Opfern. Auf
brutalste Weise wurden afrikanische Sklaven durch
die Europäer nach Amerika deportiert. Aber gleichzeitig
sind sich hier auch verschiedene Zivilisationen
begegnet – ein Geschehen, das vielfältige ökonomische,
kulturelle und soziale Auswirkungen hatte und
zum Teil immer noch hat.
Die
aus ihrer Heimat entwurzelten Sklaven brachten
ihre Götter, ihre Erinnerungen und die Überlieferungen
ihrer Vorfahren, die Rhythmen ihrer Lieder, ihre
Dichtung und Moral und ihr soziales und technisches
Wissen mit. Doudou Diène, ehemaliger Direktor
der UNESCO-Abteilung für Interkulturelle Projekte:
"Mehr als jedes andere Ereignis in der Geschichte
bewirkte der Sklavenhandel – durch Brutalität
und Gewalt – eine tiefe gegenseitige Durchdringung
der afrikanischen, europäischen und amerikanischen
Kontinente. Die massive Umsiedlung von Sklaven
hat einen Transfer kultureller Werte, Empfindungen
und Traditionen nach sich gezogen." Den Spuren
der entflohenen Sklaven und den Auswirkungen ihrer
Kultur bis in die heutige Zeit gehen Wissenschaftler
im Rahmen des UNESCO-Projektes "Sklavenroute"
nach.
In
den Geschichtsbüchern nimmt der Sklavenhandel
wenig Raum ein, und häufig existieren falsche
Vorstellungen über die Wurzeln der Sklaverei –
so zum Beispiel die Theorie, dass die portugiesischen
Sklavenhändler nur afrikanische Traditionen des
Sklavenhandels übernommen hätten. Doch Europa
kannte die Sklaverei schon lange. Bereits vor
dem 16. Jahrhundert war es beispielsweise üblich,
"heidnische" Stämme am Rande der christlichen
Welt zu versklaven.
Zu
den Zielen des Projektes "Sklavenroute" gehört
es, einseitige Geschichtsbilder abzubauen und
afrikanische Sichtweisen stärker zu berücksichtigen.
Zwar hat es Sklaverei auch in verschiedenen Staaten
des vorkolonialen Afrikas gegeben, aber die Rolle
der Afrikaner im Sklavenhandel kann nicht diskutiert
werden, ohne auch ihren Anteil an der Abschaffung
der Sklaverei zu bedenken. Der Befreiungskampf
der Sklaven spielte eine wichtige, allerdings
kaum bekannte Rolle bei der Aufhebung der Knechtschaft.
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Zur
"Route der Sklaven" werden im Rahmen des Gedenkjahres mehrere
Ausstellungen gezeigt. Am 27. Februar war im Pariser
Hauptgebäude der UNESCO die Ausstellung "Afrikas Verbindungen
mit Jamaika" zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem New Yorker
Schomburg-Zentrum für Forschung zur schwarzen Kultur organisiert
die UNESCO die Wanderausstellung "Der Sklavenhandel und seine
Abschaffung". Sie soll unter anderem im Hauptquartier der
Vereinten Nationen während der 59. Sitzung der Generalversammlung
Ende 2004 präsentiert werden. Im September wird in Nantes,
Frankreich, eine Ausstellung des französischen Bildhauers
Gérard Voisin zum Thema "interkultureller Dialog" gezeigt.
"Reisewege
der Erinnerung" ist das Motto eines gemeinsamen Dialogprojekts
der UNESCO und der Welttourismusorganisation (WTO). Auch dieses
Projekt geht den Spuren des Sklavenhandels nach und fördert
die interkulturelle Verständigung. Hinter dem Projekt "Slave
Route Cultural Tourism Programme for Africa" steht die Idee,
das UNESCO-Projekt "Route der Sklaven" mit einem Programm
für Kulturreisende zu verbinden. Eines der Hauptziele des
Programms ist es, die Erhaltung und Restaurierung wichtiger
Erinnerungsstätten des Sklavenhandels zu unterstützen – ein
Ansatz, der wirtschaftliche, kulturhistorische und ethische
Interessen vereint.
Ein
neues Projekt hat die UNESCO im April gemeinsam mit der französischen
Groupe de Recherche en Archéologie Navale gestartet: "Forgotten
Slaves" beschäftigt sich mit dem Untergang der Utile,
eines Sklavenschiffs der französischen Ostindien-Kompanie,
das 1761 vor der Küste von Tromelin Island im Indischen Ozean
gesunken ist. Die Mannschaft der Utile rettete sich auf einem
notdürftig gebauten Schiff. Von den 60 Sklaven, die sich an
Bord der Utile befanden, wurden 15 Jahre später sieben Frauen
und ein acht Monate altes Kind geborgen. Der Tragödie der
"vergessenen Sklaven" spürt das Projekt durch historische
und archäologische Forschung nach.
Erinnerungsstätten
für die Opfer der Sklaverei
Die
Sklaverei hat unzähligen Menschen zwischen dem 16. und 19.
Jahrhundert das Leben gekostet. Die Sklavenhändler haben ihr
Geschäft lange Zeit mit dem Argument gerechtfertigt, die Afrikaner
hätten den Brauch, ihre Mitmenschen zu verkaufen. Die Wahrheit
ist, dass der Sklavenhandel auf einer ständigen Bedrohung
durch Waffengewalt gründete. Hiervon zeugen die Festungen
als Zeichen militärischer Präsenz an den afrikanischen Küsten
wie Cape Coast oder die Gefängnisinsel Gorée oder die blutigen
Aufstände der Sklaven in Gorée (1724 und 1749), in Saint-Louis
(1779) und Galam (1786).
Zehn
bedeutende Stätten der Sklavenroute sind in der UNESCO-Welterbeliste
verzeichnet: außer der Insel Gorée in Senegal und der Festung
Cape Coast gehören dazu die Schlösser der Kolonialzeit in
der ghanaischen Hauptstadt Accra, die Insel Moçambique in
Mosambik, die Ruinen von Kilwa Kisiwani und Songo Mnara in
Tansania, die Königspaläste von Abomey in Benin, die Zitadelle
Sans Souci in Haiti sowie verschiedene historische Städte
aus dem Kolonialzeitalter in Brasilien, der Dominikanischen
Republik, Kuba und Panama. Indirekt mit der Geschichte des
Sklavenhandels verbunden ist die Welterbestätte Robben Island
in Südafrika, das stärkste Symbol für eine der Konsequenzen
des Sklavenhandels: die Ausbreitung einer vom Apartheid-Regime
systematisch verfolgten rassistischen Ideologie.
An
einigen dieser Welterbestätten plant die UNESCO die Einrichtung
von Museen und Forschungszentren zur Geschichte der Sklaverei.
Auf der Insel Gorée, von der aus Millionen afrikanischer Sklaven
nach Amerika verschifft wurden, soll ein solches Museumszentrum
an deren Schicksal erinnern. Ein virtueller Besuch der Gedenkstätte
ist auf der Internet-Seite der UNESCO möglich. Die Fotoreise
durch das "House of Slaves" zeigt unter anderem die Zellen,
in denen die versklavten Menschen gefangen gehalten wurden,
und das "Tor ohne Wiederkehr". Die UNESCO bemüht sich um die
Restaurierung weiterer Gedenkstätten der Sklavenroute wie
das Brasilienhaus in Accra und Bois Caïman in Haiti.
Ein
Dialogprojekt der UNESCO für Schulen heißt "Das Schweigen
brechen" (Breaking the Silence). Rund 100 Schulen
auf drei Kontinenten arbeiten in dem Projekt zusammen. Schülerinnen
und Schüler beleuchten die dunklen Seiten der Menschheitsgeschichte.
Als Unterrichtsmaterial dient unter anderem ein dreiteiliges
Lehrwerk zum Thema Sklaverei, das Experten der UNESCO zusammengestellt
haben. Die ersten zwei Teile, "Voices of Slaves" und "Voyages
of Slaves" werden derzeit an den Schulen erprobt. Der dritte
Teil "Visions of Slaves" erscheint 2004. Im August findet
im Rahmen dieses Projekts ein internationales Jugendforum
statt, danach starten die Teilnehmer des Forums eine weltweite
Kampagne "Schulen gegen Rassismus".
Wissenschaftliche
Studien und Dokumentationen
Die
Sklaverei wurde zuerst in Santo Domingo offiziell abgeschafft
(1793), zuletzt in Kuba (1886) und in Brasilien (1888). Zur
Geschichte der Sklaverei und ihrer Abschaffung koordiniert
die UNESCO Forschungsstudien und hat viele wissenschaftliche
Publikationen herausgegeben. Dazu gehören die Werke "Déraison,
esclavage et droit: les fondements idéologiques et juridiques
de la traite négrière et de l'esclavage" (2002), "The Abolitions
of Slavery: From L. F. Sonthonax to Victor Schoelcher" (1998)
oder "From Chains to Bonds: The Slave Trade Revisited" (1998).
Die Auswirkungen des Sklavenhandels aus afrikanischer Sicht
sind Gegenstand des von der UNESCO herausgegebenen achtbändigen
Werks "Die Allgemeine Geschichte Afrikas" (General History
of Africa). Ebenso ist die "Allgemeine Geschichte der Karibik"
(General History of the Caribbean) eine wichtige Quelle, um
über die "historische Wahrheit" der Geschichte des Sklavenhandels
und die Zeit der Kolonialherrschaft Aufschluss zu erhalten.
Um
historische Dokumente des Sklavenhandels zu bewahren und öffentlich
zugänglich zu machen, werden Archivsammlungen digitalisiert
und Datenbanken eingerichtet. Anlässlich der 15. Weltkonferenz
der Archive, die vom 23. bis 29. August in Wien stattfindet,
organisiert die UNESCO die internationale Konferenz "Archive
des Sklavenhandels". Das "Slave Trade Archives Project"
ist eine gemeinsame Initiative der UNESCO und der Norwegian
Agency for Development Cooperation (NORAD). An dem Projekt
sind 15 Länder Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik beteiligt.
Auch
im Rahmen ihres Programms "Memory of the World" bemüht
sich die UNESCO um die Sicherung bedeutender Dokumente und
Forschungsbeiträge zur Geschichtsschreibung der Sklaverei.
Zum Memory of the World-Programm gehören beispielsweise die
Sammlung Französisch-Westafrika des Nationalarchivs Dakar
in Senegal mit wichtigen Dokumenten über die Sklaveninsel
Gorée, die Eric-Williams-Sammlung der West Indies Universität,
Trinidad und Tobago, die wissenschaftliche Arbeiten wie das
Werk "Capitalism and Slavery" umfasst, sowie Archivsammlungen
in Barbados, die das Leben der Sklaven in der Karibik dokumentieren.
Außerdem gehören historische Zeugnisse der Kolonialzeit zum
Memory of the World, unter anderem die deutschen Akten des
Nationalarchivs in Daressalam, Tansania, zur Geschichte der
Kolonie Deutsch-Ostafrika.
Gedenkfeiern
und kulturelle Events
Zu
Ehren der Anführer des Befreiungskampfes gegen die Sklaverei,
wie Toussaint Louverture, Victor Schoelcher, Moreau de Saint-Mery
und Vicente Guerrero, veranstaltet die UNESCO eine Reihe von
Gedenkfeiern. Außerdem will sie in diesem Jahr einen Toussaint
Louverture-Preis für die Bekämpfung von Rassismus ins
Leben rufen.
Verschiedene
Benefiz-Konzerte stehen auf dem Programm, unter anderem
eine Aufführung mit Gilberto Gil, Cesaria Evora und Manu Dibango
im Juli in Paris. Der Erlös wird für die Restaurierung von
Stätten der Sklavenroute verwendet.
Der
3. Kongress afrikanischer, amerikanischer und karibischer
Schriftsteller wird sich mit dem Thema "Von der Aufhebung
der Sklaverei zum Kampf gegen Kolonialismus – der Platz von
Schwarzen im Zeitalter der Globalisierung" befassen.
Das
traditionelle Smithsonian Folklife Festival bringt jedes Jahr
Handwerksleute, Musiker, Köche und traditionelle Geschichtenerzähler
in Washington zusammen. Die UNESCO beteiligt sich am diesjährigen
Festival vom 23. Juni bis 4. Juli. Die Veranstaltung steht
unter dem Titel "Haiti: Freiheit und Kreativität".
In
der Nacht zum 23. August 1791 begann die Sklavenrevolte in
Santo Domingo, die eine entscheidende Rolle bei der Abschaffung
des transatlantischen Sklavenhandels spielte. Am 23. August
begeht die UNESCO den "Internationalen Tag zum Gedenken
an den Sklavenhandel und seine Abschaffung". Dieser
Tag soll jedes Jahr an das Schicksal der Sklaven erinnern.
Zugleich rückt er die Tatsache ins Bewusstsein, dass auch
im 21. Jahrhundert immer noch Menschen in Sklaverei oder
Schuldknechtschaft leben.
Sklaverei
heute?
In
verschiedenen Formen ist Sklaverei heute noch weit verbreitet.
Die Liste ist quälend lang und enthält traditionelle Sklaverei,
Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft, unfreie Arbeit und Zwangsarbeit,
sexuelle Ausbeutung, Handel mit Kindern und Frauen, Verschiebung
von Menschen, Zwangsheirat, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten.
Die
Nichtregierungsorganisation Anti-Slavery International sagt,
dass mindestens 20 Millionen Menschen weltweit in Schuldknechtschaft
leben. Das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC)
schätzt die Zahl der Menschen, die in Schuldknechtschaft oder
Zwangsarbeit geraten, auf 700.000 pro Jahr. Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) beziffert die Zahl der Kinderarbeiter
auf 245 Millionen. Die ILO sagt weiter, dass 1,2 Millionen
Kinder jedes Jahr Opfer des illegalen Menschenhandels werden.
Sie hat den Handel mit Kindern in Zentral- und Westafrika
angeprangert und berichtet, dass zwischen 10.000 und 15.000
Kinder aus Mali Opfer des Handels sind und auf Plantagen in
Côte d' Ivoire Zwangsarbeit verrichten müssen. Nigeria berichtete
1996 über 4.000 Fälle von Kinderhandel. Benin registrierte
über 3.000 Fälle von Kinderhandel zwischen 1995 und 1999.
In einigen Ländern Afrikas ist die Zwangsrekrutierung von
Kindern für bewaffnete Konflikte bekannt. Weltweit organisiert
ist der Handel mit Mädchen und Frauen, die in die Prostitution
gezwungen werden. Er gehört zu den lukrativsten Geschäften
der organisierten Kriminalität.
Vereinte
Nationen gegen Sklaverei und Rassismus
1926
verabschiedete der Völkerbund das erste internationale Abkommen
über Sklaverei. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
von 1948 hat Sklaverei explizit verboten. Artikel 4 besagt:
"Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden;
Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten."
1956
verabschiedeten die Vereinten Nationen das Zusatzübereinkommen
über die Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und sklavereiähnlichen
Einrichtungen und Praktiken. Durch dieses Abkommen gilt auch
die Schuldknechtschaft als verbotene Sklaverei.
Zuletzt
hat die Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 in Durban, Südafrika,
Sklaverei und Sklavenhandel als "ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit" angeprangert. In der Erklärung von Durban
heißt es: "Wir verurteilen nachdrücklich, dass Sklaverei und
sklavereiähnliche Praktiken in manchen Teilen der Welt auch
heute noch existieren, und fordern die Staaten nachdrücklich
auf, mit Vorrang sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um diesen
Praktiken, die in flagranter Weise gegen die Menschenrechte
verstoßen, ein Ende zu setzen".
Mit
mindestens 27 Millionen ist die Gesamtzahl heutiger Sklaven
bald so groß wie die Einwohnerzahl Kanadas und viermal größer
als die der Schweiz.
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Die
Initiative zum Gedenkjahr
ging
von der Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung,
Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende
Intoleranz 2001 in Durban, Südafrika, aus.
Die Erklärung von Durban erkennt an, "dass die
Sklaverei und der Sklavenhandel, namentlich der
transatlantische Sklavenhandel, furchtbare Tragödien
in der Geschichte der Menschheit waren, nicht
nur wegen ihrer entsetzlichen Barbarei, sondern
auch wegen ihres Ausmaßes, ihres organisierten
Charakters und insbesondere der Aberkennung des
Menschseins der Opfer". Das Aktionsprogramm von
Durban "fordert die Staaten nachdrücklich auf,
alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen,
um der Versklavung und den zeitgenössischen Formen
sklavereiähnlicher Praktiken ein Ende zu setzen".
Kurz
nach der Konferenz in Durban, am 2. November 2001,
sprach sich die 31. Generalkonferenz der UNESCO
in Paris per Resolution (31 C/28) dafür aus,
das Jahr 2004 zum "Internationalen Jahr des Gedenkens
an den Kampf gegen die Sklaverei und an ihre Abschaffung"
zu erklären. 46 Staaten haben die Resolution unterstützt.
Den
Vorschlag der UNESCO hat die Generalversammlung
der Vereinten Nationen auf ihrer 57. Tagung
aufgegriffen. Die UNO-Generalversammlung verabschiedete
am 18. Dezember 2002 die Resolution "Bekämpfung
von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit
und damit zusammenhängender Intoleranz und umfassende
Verwirklichung und Weiterverfolgung der Erklärung
und des Aktionsprogramms von Durban" (RES 57/195).
Artikel 38 der Resolution enthält den offiziellen
Beschluss zum Gedenkjahr.
Am
2. September 2003 hat die UNESCO-Generalkonferenz
das Programm zum Internationalen Jahr 2004
in ihre Agenda aufgenommen. In dem Dokument (32
C/14) werden die Hintergründe, Ziele und Aktionsfelder
beschrieben. Das Programm nennt fünf Handlungsfelder:
wissenschaftliche Forschung, Projektarbeit zur
Bewahrung des Andenkens an die Opfer der Sklaverei
und ihren Befreiungskampf, Begegnung und Dialog
der Kulturen, Information für Schulen und für
die breite Öffentlichkeit sowie den Aufbau von
internationalen Partnerschaften zur Unterstützung
des VN-Jahres.
Die
Ziele des Internationalen Jahres 2004 sind:
-
Wissen vermitteln über die "historische Wahrheit"
des Sklavenhandels und des Befreiungskampfes
zur Abschaffung der Sklaverei;
- Bewusstsein
schaffen für die Konsequenzen des Sklavenhandels
und seine Auswirkungen auf die kulturelle Entwicklung;
- Gedenken
an den 200. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung
Haitis (1. Januar 1804) als historischer Wendepunkt
im Kampf gegen die Sklaverei;
- Förderung
einer Kultur des Friedens und Bekämpfung aller
neuen Formen von Sklaverei.
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veröffentlicht
2004 |
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Der
Artikel ist erschienen in:
UNESCO heute, Zeitschrift der Deutschen UNESCO-Kommission,
Ausgabe 1, 2004. S. 4-9. |
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